Warum Herausforderung? Und nicht Krankheit oder Blockade? Meiner Meinung nach, weil es einfach gesagt ein Tiefpunkt im Leben so einiger Dartspieler ist, aus dem man aus eigener Kraft wieder herauskommen kann. Bei jedem äußert sich die Dartitis anders und hat verschiedene Ursachen. Daher gibt es auch kein Allheilmittel, vielmehr muss jeder für sich den richtigen Weg finden mit dieser "Herausforderung" umzugehen und sie zu meistern. Viele Darter verzweifeln an diesem Phänomen, bekommen es nie wirklich in den Griff oder hören ganz auf. Einige überwinden die Dartitis mit Psychotherapie, speziell Hypnose oder einem geschulten Mentaltrainer. Und Einige erarbeiten für sich selbst Strategien, mit dem sie lernen mit der Dartitis umzugehen oder sie sogar komplett besiegen. Auch ich habe meinen eigenen Weg gefunden und möchte meine Erfahrungen mit euch teilen. Noch habe ich die Dartitis nicht überwunden, jedoch merke ich von Monat zu Monat Verbesserungen.
Eigentlich will ich euch nicht mit der Vorgeschichte und der Entstehung meiner Dartitis nerven. Wie bei vielen auch kam die Dartitis mehr oder weniger schlagartig. Ich war 24 und hatte seit 7 Jahren Darts gespielt, als die Dartitis zuschlug. Zwei Jahre spielte ich dann keine Turniere mehr und kämpfte ich mich durch die Liga. Dann führte ein Austritt aus meinem damaligen Verein (aus anderen Gründen) dazu, dass ich 6 Jahre lang keine Darts mehr im Verein spielte, lediglich zuhause ab und zu.
Darts habe ich trotzdem noch in den heimischen vier Wänden gespielt. Vorerst nur selten, dann nach einer Weile wieder häufiger. Es ist halt eine Sucht ;) . Nachdem ich zuhause ohne Druck wieder mehr oder weniger flüssig spielen konnte, traute ich mich wieder in einen Dartclub einzusteigen. Ich war mit meiner Familie umgezogen und startete neu durch. Anfangs lief es ganz gut, die Pause und das lockere Werfen zuhause hatten mir Sicherheit gegeben. Aber in den Ligaspielen traf mich die Dartitis wieder zunehmend, es war zum verzweifeln. Aber ich dachte mir: Jetzt reichts, ich muss jetzt wirklich ernsthaft dagegen was machen. Zufällig entdeckte ich auf Youtube den Kanal “Dartblog”, wo ein sehr kompetenter Kerl viel über mentales Spiel im Darts erzählt. Ich bekam mit, dass er selber Dartitis hatte und Kurse anbot um Leuten dabei zu helfen. So nahm ich ein paar Euro zusammen und buchte mir Einzelstunden. Er zeigte mir auf, wo meine Probleme lagen und gab mir Trainigspläne zur Hand. Im Handumdrehen zeigten sich bei mir Erfolge und ich konnte nach dem Coaching selber weitermachen.
Der wichtigste Teil des Coachings von Dartblog war für mich die Wiederherstellung meines Wurfes. Es ging darum, meinen eigenen Wurfstil der sich für mich natürlich und komfortabel anfühlt (und früher auch so angefühlt hat) wieder abrufen zu können. Mehr dazu im nächsten Punkt. Aber ich glaube ohne diesen Wegweiser hätte ich nie gewusst, wo ich ansetzen muss.
Außerdem habe ich durch Dartblog erstmals gelernt, wie sinnvolles Motorik-Training aussieht und warum es besser ist als nur stupide irgendwelche Dart-Spiele durchzuzocken. Schaut mal bei ihm rein, es lohnt sich.
In den folgenden Wochen und Monaten arbeitete ich meine eigenen Trainingspläne aus und spielte diese zuhause durch. Dabei fiel mir deutlich auf, wie sehr ich immer damit beschäftigt war, an meinen Wurf zu denken. Der Arm ist doch nicht gerade, die vielen 5er kommen bestimmt daher oder Vielleicht sollte ich den Dart doch etwas anders greifen. Jedesmal wenn es nicht so lief wie ich es mir vorstellte, kam ich in Versuchung die Technik zu ändern. Mir wurde klar, genau das mein großes Problem war. Es gab in meiner Karriere kaum einen Tag, an dem ich nicht versucht habe an meiner Technik zu schrauben und was verändern zu wollen. Und mir das so nie erlauben würde, einen Automatismus zu erzeugen. Und der Dartitis spielt das natürlich in die Karten. Also verdrängte ich von nun an konsequent alle “schlechten” Gedanken und sagte mir stattdessen: Dein Wurfstil ist einwandfrei, schau wie gut du spielen kannst, es liegt nicht an der Technik. Das so konsequent umzusetzen und nicht ständig wieder in alte Verhaltensmuster zu verfallen war anfangs schwer. Aber das zahlte sich mehr und mehr aus, da ich mich dann auch beim Werfen selber nicht mehr so auf meine Bewegung konzentrieren musste, sondern nur noch auf das Ziel. So kam tatsächlich recht schnell dieses vergessene Gefühl wieder zurück, wenn ein Dart super geschmeidig aus der Hand gleitet und Richtung Board fliegt. Plötzlich konnte ich auch vermehrt wieder schön Gruppieren. Die Darts kamen immer öfter scheinbar automatisch aus der Hand. Weil so das Unterbewusstsein wieder übernahm, so wie es sein sollte. Natürlich musste ich bei vielen Darts kämpfen, um sie loszuwerden, aber die flüssigen Würfe häuften sich zunehmends.
Um den Fokus von der Technik weg und mehr auf das Ziel zu lenken, hilft es vielen Spielern mit einem schnellen Rhythmus zu arbeiten. Dart hochholen und zurückziehen in einer fließenden Bewegung und dann schnell Abwerfen. So wie es z.B. ein Michael Smith macht. Ein häufiges Problem der Dartitis ist, dass man zu sehr an seinen Wurf denkt und damit den Automatismus außer Kraft setzt. Ich habe auch viel mit einem schnelleren Rhythmus gespielt, jedoch wollte ich immer wieder zu meinem gewohnten, eher mechanischen Rhythmus zurück, da ich da doch ein wenig mehr Präzision hatte. Aber mit dem schnellen Rhythmus hatte ich weniger Zeit zum Nachdenken und mehr Darts kamen problemlos aus der Hand. Es war so ein kleines Dilemma, dass ich mich nicht für einen Rhythmus entscheiden konnte. Aber dann kam irgendwann die Erkenntnis, dass es am besten funktioniert, wenn ich es nach Gefühl entscheide. Nun werfe ich mal schnell und mal langsam. Oftmals den ersten Dart mit einer Zielphase und wenn der gut kommt, feuere ich die anderen zwei schnell hinterher. Oder auch mal ein ganzes Spiel im “Schnellfeuer” einfach weil ich Bock drauf habe. Ich glaube das gute daran ist, dass man sich da mehr auf sein Gefühl und damit sein Unterbewusstsein verlässt und gar nicht mehr an den Wurf denkt. Luke Littler ist wohl das beste Beispiel dafür, dass der Rhythmus gar nicht das Entscheidende ist, wie gut die Trefferquote ist. Littler wirft auch mal mit und mal ohne kurzes Zielen vor dem Abwurf. Es ist das Gefühl beim Abwurf. Und das muss man bei der Dartitis oftmals wiederfinden und wieder einschleifen. Wenn man merkt, dass dieses gute Gefühl vermehrt zurückkommt, ist man auf dem richtigen Pfad. Vor allem wenn der Arm wie von Zauberhand nach vorne schnellt und einen Dart direkt an den anderen setzt, dann kehrt der Automatismus zurück.
Daher mein Tipp: Probiere mal einen schnellen Rhythmus aus, um die Kontrolle des Wurfes an das Unterbewusstsein abzugeben. Wenn sich das für dich gut anfühlt, dann baue das zeitweise in deinen gewohnten Rhythmus mit ein und entscheide nach Gefühl, wie dein nächster Dart geworfen wird.
Je mehr man sich in einem Spiel auf den Score (also das Ergebnis) konzentriert, desto schlimmer sind die Symptome der Dartitis. Wenn man mal versucht, ein ganzes Spiel lang einfach nur die Darts in Richtung des Ziels zu “pfeffern” ohne sich in irgendeiner Weise zu ärgern, wenn sie nicht in die 20 kommen oder einige Querschläger dabei sind, wird man schnell merken dass man entspannter wird. Es wird leichter werden, die Darts loszulassen, weil einem völlig egal ist, wo die Pfeile stecken. Es ist quasi wie beim Einwerfen. Die Herausforderung bei der Sache ist, dass man nur sehr grob zielt und dadurch absichtlich weniger präzise ist. Das kann für die Perfektionisten unter uns Dartitis-Geplagten sehr schwierig sein.
Auch wenn man mit weniger Fokus auf das Ziel spielt, wird man in der Regel trotzdem einige gute Aufnahmen dabei haben. An denen darf und soll man sich natürlich erfreuen. Die schlechten Aufnahmen sollen dabei aber komplett ohne eine Emotion wahrgenommen werden.
Einen sehr großen Effekt hat die gesamte Einstellung zum Spiel an sich. Dartitis kommt bekanntlich daher, dass man sich selbst zu viel Druck macht, nie mit sich zufrieden ist, ständig an der Technik feilt und permanent nach Perfektion strebt (die es nicht gibt). Die folgenden Punkte hören sich simpel an, bis man sich diese aber so verinnerlicht, dass man sie wirklich "lebt", dauert es meist eine Weile. Nicht jeder kann sich so einfach von seinen bisherigen Denkmustern lösen und es braucht manchmal auch einen gewissen Schlüsselmoment und zu erkennen, was man bisher falsch gemacht hat.
Generell zeigt sich Dartitis in geringerem Ausmaß, wenn man sich in einem entspannten Zustand befindet. Das ist natürlich häufig zuhause in der gewohnten Umgebung am eigenen Board der Fall. Verlässt man diese Komfortzone und spielt woanders oder spielt gegen “echte” Gegner, tritt die Blockade deutlich heftiger auf. Wenn du deine Dartitis zuhause im Training schon soweit kontrollieren kannst, dass du die Darts ohne größere Probleme ans Board bekommst oder gar völlig flüssig werfen kannst, solltest du damit beginnen, deine Komfortzone langsam zu verlassen. Das ist sehr wichtig, denn du möchtest ja bestimmt auch im Wettkampf wieder befreit spielen können.
Am besten beginnst du damit, häufiger gegen Freunde zu spielen oder auch im Training deines Vereins. Wenn du das ohnehin schon tust, dann macht die Teilnahme an Wettkämpfen auch schon Sinn. Es geht darum, dass du häufiger in diese Situationen kommst in denen sich deine Dartitis zeigt. Wichtig dabei ist, vom mentalen Druck her nicht von 0 auf 100 zu gehen. Gerade die Spiele, in denen deine Dartitis beherrschbar ist, sind genau richtig um Fortschritte zu sehen und vor allem auch um mit der Zeit Erfolgserlebnisse zu erzeugen. Meide daher vorerst Spiele, in denen es um die Wurst geht oder bei denen es viele Zuschauer gibt.
Bei vielen Spielern ist es auch so, dass sie relativ gut auf die 20 oder 19 scoren können, aber sobald es daran geht andere Felder zu treffen (vor allem Trebles oder Doubles), kickt die Dartitis rein. Auch hier handelt es sich beim Scoring um eine Komfortzone und beim Verlassen dieser wird es schwieriger. Auch hier heißt es: Geh mit Absicht aus dieser Komfortzone raus! Ich habe bei mir bemerkt, dass ich deutlich lockerer in einem 501 Match spielen kann, wenn ich zuvor eine Trainingseinheit absolviert habe, bei der ich das ganze Board bespielen musste. Da hatte ich mir dann “Mut” angespielt und hatte deutlich weniger Probleme bei den Finishes im 501 danach. Auch auf Dauer halfen mir solche Trainingsspiele wie Single/Double Round the World oder Finish-Übungen deutlich mehr als nur stupides Training der flüssigen Wurfbewegung. Einfach, um die unterbewusste Angst vor dem Verfehlen des Ziels langsam zu mindern. Und zusätzlich habe ich mir angewöhnt, auch mal unkonventionelle Finish-Wege zu gehen. Zum einen weil das Spass macht (Und der Spass steht ja im Vordergrund) und zum anderen weil auch das ein Verlassen der Gewohnheiten und damit auch der Komfortzone bedeutet.
Insgesamt gilt: Je mehr du “leicht” außerhalb deiner Komfortzone spielst und mit der richtigen Einstellung ans Board bist, desto besser wird es werden.
Selbstvertrauen ist beim Kampf gegen die Dartitis ein echter Gamechanger. Wenn du dir schon vor dem Wurf bewusst oder unterbewusst einen Treffer bzw. flüssigen Wurf nicht zutraust, sind die Probleme vorprogrammiert. In dem Moment, wo du völlig überzeugt bist, dass der nächste Dart ins Ziel geht, hat die Dartitis keine Chance. Diese Überzeugung muss aber wie schon erwähnt auch im Unterbewusstsein stattfinden. Das heißt, nur weil du dir mal kurz vorstellst, wie der nächste Dart ins Ziel fliegt, ist das keine Garantie für ein Ausbleiben der Blockade. Es muss dem Unterbewusstsein erst wieder “antrainiert” werden, dieses Vertrauen in den Wurf zu haben bzw. die Angst vor einem Versagen zu vergessen. Man kann das durch regelmäßige Visualisierung schaffen. Ich selber visualisiere auch regelmäßig vor einem wichtigen Wurf, z.B. bei einem Matchdart und stelle mir vor, wie er mittig ins Doppel segelt. Aber ich da ist noch etwas anderes, das mir auf meinem Weg maßgeblich hilft: Spielen, spielen, spielen. Was bringt das?
Ich spiele derzeit dreimal die Woche im Verein. Zweimal Training und einmal Liga. Im Training ist der Druck recht gering und der Spaß steht im Vordergrund. Als ich damals nach der Pause wieder in einem Verein begonnen habe zu spielen, fiel es mir auch im Training gegen die Kollegen sehr schwer, die Darts loszulassen. Aber mit der Zeit trat der Gewöhnungseffekt ein und ich wurde lockerer und entspannter. Ganz automatisch steigerte sich meine Trefferquote, ich gewann zunehmend öfter mal eine Partie und auch kleine Highlights (180er, Highfinishes etc.) streuten sich mit ein. Das übertrug sich sogar auch das heimische Training, plötzlich wurden auch da die krassen Aussetzer durch die Dartitis weniger.
Was ich damit sagen will: Je mehr man spielt, desto mehr Erfolgserlebnisse stellen sich ein. Das stärkt das Selbstvertrauen. Diese Erfolge können auch schon sein, dass man sich in einem Ligaspiel nicht bei jedem einzelnen Dart abkämpfen musste ihn aus der Hand zu bekommen, egal wie die Partie ausgegangen ist.
Irgendwann kann man sich im Kopf sagen: Auch wenn ich Dartitis habe und mal ein paar Pfeile kreuz und quer gehen, ich kann ganz gut zocken und mich muss man erst mal schlagen!
Wie die Dartspieler ohne Dartitis hast du auch mit der Dartitis eine Berg- und Talfahrt. Es gibt Phasen, da läuft es und du denkst du hast es bald überwunden. Und dann plötzlich kommt es wieder. Manchmal hat man Wochen oder Monate zu kämpfen und fragt sich, was man jetzt wieder falsch macht. Der erfahrene Dartspieler würde sagen: Auf ein Tal folgt ein Berg. Und so ist es auch. Wenn du den für dich richtigen Weg aus der Dartitis gefunden hast, dann dürfen dich auch kleinere und größere Rückschläge bzw. Tiefphasen nicht verzweifeln lassen. Denn du hast gelernt, dass ein Mensch in jedem was er tut mal eine zeitlang besser ist und auch mal schlechter. Geduld und Disziplin sind hier der Schlüssel.
Wenn du dich mit der mentalen Seite des Dartsports beschäftigst, wirst du immer wieder auf die gleichen Tricks stossen. Für Dartitis Spieler sind die genauso wichtig, wie für die “Normalos”. Vor allem die Übungen für Entspannung während und vor einem Spiel sind zu empfehlen. Die Atemübungen wende ich selber auch immer an, wenn ich Nervosität oder Verkrampfung spüre. Auch das umkehren von negativen Gedanken mit positiven Sätzen, die man sich innerlich zuredet, wirken sehr gut. Man muss es natürlich genauso einüben, wie die physischen Sachen auch. Suche dir für dich passende Übungen, es gibt genügend Beiträge und Videos im Internet zu dem Thema. Viel Erfolg!